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Go West! - 30. Juni 2014

Go WestEine Reise in den ›Wilden Westen‹
30. Juni 2014

Jedes Jahr führe ich zwei kleine Reisegruppen durch den Westen der USA.

Dazu lege ich in Facebook ein Reisetagebuch an, das auch im Zauberspiegel erscheinen soll. Es geht zu legendären Orten des Wilden Westen auf den Spuren von Cowboys, Indianern und eines spannenden Stücks Geschichte. - Folgt mir ...


Go WestNez Perce zum Ersten und die Grant-Kohrs Ranch
Unser erstes Ziel heute führte zu einem Ort, der eines der traurigsten Kapitel amerikanischer Geschichte repräsentiert: 1877 geriet der Stamm der Nez Perce Indianer in der Plateauregion, dessen Gebiet sich über die Bundesstaaten Oregon, Washington und Idaho erstreckte, unter Druck. Mehr und mehr zuwandernde Goldsucher verdrängten die Indianer aus ihren angestammten Gebieten, und die Regierung gab den Forderungen nach und verlangte von den Nez Perce die Aufgabe von annähernd 90% ihres Landes.

Die Nez Perce waren immer freundlich zu den weißen Siedlern gewesen. Sie hatten der Lewis-&-Clark-Expedition 1805 Hilfestellung geleistet. Sie hatten sogar um die Entsendung von Missionaren gebeten, um die Religion des weißen Mannes kennenzulernen.

Um es ganz kurz zu machen: Die Nez Perce wollten keinen Krieg und entschieden sich schließlich, ihre Heimat zu verlassen. In diese kritischen Phase erschlug ein junger Krieger einen weißen Siedler, der seinen Vater ermordet hatte und unbestraft geblieben war. Daraufhin wurde die Armee gegen die Nez Perce in Marsch gesetzt.

Die Nez Perce entschlossen sich, dem Kampf auszuweichen. Etwa 750 Menschen packten ihre Habe zusammen und zogen mit ihren rd. 2000 Pferden – ihrem wertvollstem Besitz – nach Süden. Sie wollten sich ihren Freunden, den Crow, anschließen.

Die Armee nahm die Verfolgung auf, um sie zurück in ihre Reservation zu bringen.

1876 hatte die US-Armee mit der Niederlage der 7. Kavallerie am Little Big Horn eine enorme Schmach erlitten. Sie konnte es sich nicht leisten, sich schon wieder einem Indianervolk geschlagen zu geben.

Es begann ein gut 4 Monate dauernder Verfolgungsfeldzug quer durch Montana.

Nachdem die Crow sich geweigert hatten, die Nez Perce aufzunehmen, wandten die verzweifelten Indianer sich Richtung Kanada, wo sie sich Sitting Bull anschließen wollten.

Inzwischen waren Tausende von Soldaten hinter ihnen her.

Im geschützten Tal des Big Hole glaubten sie, die Verfolger abgeschüttelt zu haben und ausruhen zu können. Aber im Morgengrauen des 9. August 1877 erreichte die 7. Infanterie unter Colonel Gibbon das Gebiet und griff das aus 89 Tips bestehende Lager überraschend an.

Die Nez Perce wurden im Schlaf überrascht. Die Soldaten feuerten auf die Zelte und töteten viele Frauen und Kinder. Dann gelang es den Häuptlingen White Bird un Looking Glass den Widerstand zu organisieren.

Sie trieben die Soldaten über den Fluß zurück in den Hangwald.

Dort hatte Gibbon eine Haubitze in Stellung bringen lassen. Nach nur 2 Schüssen, die erfolglos blieben, stürmten die Nez Perce den Hang, töteten einen Kanonier und vertrieben die anderen und stürzten die Kanone den Hang hinunter.

Sie zwangen die Soldaten, sich Schützenlöcher auszuheben und in Deckung zugehen. Bis zum 10. August hielten sie die Soldaten in ihren Stellungen fest. In dieser Zeit organisierte Chief Joseph den Abzug des Lagers. Die Flucht ging weiter.

(Ich habe den gesamten Nez Perce Feldzug in meinem Buch „SOLDIERS“, erschienen im Österreichischen Milizverlag, im Detail beschrieben.)

Der Sieg der Nez Perce am Big Hole war ein Meisterstück, obwohl die Indianer zwischen 60 und 90 Menschen verloren. Die Infanterie erlitt eine schwere Niederlage.

Heute gehört der Fluchtweg der Nez Perce zu den amtlich geschützten Trails. Das Big Hole Battlefield ist als „Nez Perce National Historic Site“ unter Schutz gestellt.

Der Nationalpark-Service und die Nez Perce arbeiten bei der Interpretation der Geschichte eng zusammen.

Die Nez Perce halten regelmäßig Zeremonien am Schlachtfeld ab, um ihre gefallenen Vorfahren zu ehren. Auch als wir da waren, trafen gerade mehrere Nez Perce ein, die eine Vortragsveranstaltung vorbereiteten. Mehrere Parkrangers sind aus dem Stamm der Nez Perce.

Dieses Volk hat heute etwa 3100 eingetragene Mitglieder, von denen etwa 1800 auf der Reservation in Idaho und etwa 300 auf den Colville und Umatilla Reservationen in Washington und Oregon leben. Etwa 100 leben in Kanada.

Das ist eine Kurzversion der Geschichte. Da ich mit meinen Reisenden noch zum letzten Akt dieses Dramas, dem Bear Paw Battlefield kommen werde, folgt eine Fortsetzung.

Die Fotos (eins und zwei der Galerie) zeigen die symbolhaft aufgestellten Tipistangen in der Senke, in der sich das Lager befand, sowie die Haubitze auf dem Berg über dem Lager mit Blick auf das Schlachtfeld. Die Indianer stürmten die Kanonenstellung.

Regelmäßig kommen Nez Perce an diesen Ort und gedenken ihrer Vorfahren. Nach Indianertradition hinterlassen sie bunte Bänder an Bäumen und Büschen als Zeichen ihrer Trauer (Bild 3 der Galerie). Das vierte Foto der Galerie zeigt das eindrucksvolle Besucherzentrum. Das fünfte Bild zeigt den Gedenkstein an die 29 gefallenen Soldaten.

Ich stehe hier in dem symbolischen Tipi von Chief Joseph. Daneben stehen auch Tipistangen für seinen Bruder Olokot. (Bild 6 der Galerie)


Go WestZweite Station am gestrigen Tag war die kleine Gemeinde Deer Lodge im Westen Montanas. Hier befindet sich Grant-Kohrs Ranch, ein Denkmal für die Viehzucht von Montana und die deutsch-amerikanische Geschichte.

Conrad Kohrs, der diese Ranch zu einmaliger Blüte führte, stammte aus Wewelsfleth in Schleswig-Holstein. Er hatte als 14jähriger sein Elternhaus verlassen und war als Schiffsjunge zur See gefahren. Er hatte faktisch die ganze Welt gesehen, als er als junger Mann in Nordamerika eintraf und zunächst in Metzgergeschäften in New York arbeitete. Der Goldrausch in Kalifornien (1848/49) brachte ihn in den Westen.

Als 1862 in Montana Gold gefunden wurde, wanderte er zu Fuß von der Westküste in das zerklüftete Bergland rings um Bannack und Virginia City. Aber statt nach Gold zu suchen, eröffnete er Fleischerläden in verschiedenen Minencamps und versorgte die Goldgräber – und das mit großem Erfolg.

Einer seiner Lieferanten war der Kanadier Johnny Grant, der einen Trading Post und eine kleine Ranch unterhielt. Grant war ursprünglich Pelzhändler gewesen, wie sein Vater, und hatte – wie damals üblich – mehrere indianische Frauen genommen. Neben seinen eigenen Kindern, hatte er über 20 weitere indianische Kinder adoptiert.

Der Goldrausch schwemmte eine neue Schicht Menschen in diesen Teil des Westens, die die Lebenswelt der alten Pelzhändler verachteten. Für sie war Grant nur ein „Squawman“. Er fühlte sich bald als Außenseiter und sah seine indianisch-weiße Familie bedroht. Er wollte zurück nach Kanada.

Für knapp 20.000 Dollar – nach heutigem Wert ein Betrag von ca. 700.000 Dollar – verkaufte er seinen Besitz an Konrad Kohrs.

Kohrs begann eine äußerst erfolgreiche Rinderzucht. Er heiratete das deutsche Kindermädchen Augusta Kruse aus Hamburg, mit der er die Ranch zu einem Musterbetrieb machte. Augusta schuf das noch heute luxuriöse Ranchhaus – damals das vermutlich beste Haus in ganz Montana.

Die Ranch hatte in ihrer Blütezeit über 10 Millionen Acre Landbesitz und war damit so groß wie die ganze Schweiz. Konrad Kohrs war Staatssenator und gehörte zu den Vätern des US-Bundesstaates Montana. Er überstand alle Krisen im Rinderzuchtgeschäft.

Nach seinem Tod wurde die Ranch zeitweise Aktiengesellschaft. Schließlich übenahm sein Enkel, James Kohrs Warren die Geschäftsführung – ein ebenso leidenschaftlicher Rancher wie sein Großvater. Er wollte, das das Werk seines Großvaters erhalten blieb, nachdem der größte Teil des Landbesitzes verkauft worden war.

James Warren überließ den Kern der Ranch dem Nationalparkservice mit der Auflage, ihn als lebendes Museum zu bewahren. Bis zu seinem Tod 1994 lebte er auf der Ranch, die heute an die große Zeit der „Viehbarone“ im amerikanischen Westen erinnert.

Auf der Ranch stehen die alten Rinderrassen, von Longhorns bis Herefords. In der Schmiedewerkstatt klingt der Hammer auf dem Amboß, und am Küchenwagen bekommt der Besucher Arbuckle Coffee zu trinken.

Ein faszinierendes Eintauchen in die Zeit der Cowboys, die viel mit harter Arbeit, aber auch mit ein wenig Romantik zu tun hatte.

Die Fotos (1-3 der Galerie) zeigen das grandiose Ranchhaus, die Cowboy-Bunkhäuser und das Eingangsschild.

Longhorns sind beeinddruckende Tiere, und am Chuckwagon erhielten wir Arbuckle Kaffee aus einem rostigen Metallkessel, der über dem Feuer hing. (Bilder 4 und 5)

Das Grab von Conrad Kohrs und seines Familie, auch seines Halbbruders Johny Bielenberg, der sich besonders um die Quarterhorse-Zucht verdient machte, befindet sich auf dem kleinen Friedhof von Deer Lodge. (Bild 6)

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