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Valeria Messala Barbata: Sie nannten sie »Messalina« - Der Lehrmeister der Liebe

Sie nannten sie »Messalina«Valeria Messala Barbata - Sie nannten sie »Messalina«
7. Der Lehrmeister der Liebe

Frauen stand im alten Rom kein eigentlicher Vorname zu, so daß der Name des Familiengeschlechts in seiner weiblichen Form als solcher fungierte.

Eine Julia gehörte zum Beispiel dem Geschlecht der Julier an, eine Claudia dem der Claudier, eine Valeria dem der Valerier, und eine Messala den Messalern (eine Teilsippe der Valerier).

Eine Möglichkeit, der Dame etwas Individualität zu verleihen, war ein Beiname wie „die Ältere“, oder aber eine verniedlichende Verkleinerungsform. So heißt „Messalina“ nicht einfach „die zum Geschlecht der Messaler gehörende“, sondern: „Die Kleine aus dem Geschlecht der Messaler“. Daß in ihrem Fall nicht der Name der eigentlichen Familie, sondern der einer bestimmten Untersippe gewählt worden war, dürfte ebenfalls darauf zurückzuführen sein, daß man sie von anderen Verwandten gleichen Namens zu unterscheiden suchte.

7. Der Lehrmeister der Liebe
Das Jahr 47 kannte zwei große Feierlichkeiten, bei denen Messalina einen öffentlichen Auftritt hatte, nämlich den Triumphzug zu Ehren des Feldherrn Aulus Plautius (auch wenn es dem nicht gelungen war, Britannien zu befrieden) und die Ludi Saeculares als Achthundertjahrfeier der Gründung Roms. Zu Letzteren gehörte auch das Lusus Troiae („Trojanisches Turnier“), wo sich junge Reiter miteinander maßen. Hier traten sowohl Britannicus, als auch Nero an, und wieder war es der Zweitgenannte, der das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriß.

Aber das war nicht die einzige Gelegenheit, bei der Messalina und ihre ewige Konkurrentin miteinander in Konkurrenz traten. Letztere hatte eine beste Freundin, Junia Silana mit Namen. Die war verheiratet mit dem attraktiven Gaius Silius. Tacitus nannte ihn „den schönsten, jungen Mann Roms“, auch wenn er kein Jüngling mehr gewesen sein dürfte (Das Amt des designierten Konsuls, das er in diesem Jahr erhalten sollte, erforderte eigentlich ein Mindestalter von 43 Lenzen). Bereits die Namensgleichheiten zwischen Junia Silana und Gaius Junius Appius Silanus (Messalinas Stiefvater, den sie mit Narcissus und ihren „Träumen“ hatte im Jahre 42 aus dem Weg räumen lassen) deuten darauf hin, daß zwischen beiden ein Verwandtschaftsverhältnis bestanden haben mochte. Damit hatte sie (wie Agrippina auch) einen Grund, Groll gegenüber der kaiserlichen Familie zu empfinden.

Wann und wie er Messalina begegnete, ist nicht überliefert, aber sie soll ihn von Anfang für ihn geschwärmt haben, und zwar mit einer Liebe, die Tacitus zufolge Furori proximo, also „dem Wahnsinn nahe“ gewesen war. Also überhäufte sie ihn mit Geschenken, die ihre Zuneigung für ihn ausdrücken sollten – Und recht früh schon verlangte sie von ihm, daß er sich zum Zeichen der Erwiderung ihrer Gefühle von seiner Frau zu trennen habe. Es war ungefähr der Zeitraum, in dem auch Messalina ihrem derzeitigen Gespielen Polybios den Laufpaß gab – Aber nicht gerade auf die feine Art! Polybios war ähnlich korrupt und anmaßend wie Narcissus gewesen. Er hatte schon mal die Frechheit besessen, bei zwei Konsuln in der Mitte zu laufen. Und als im Theater ein Mime (Mnester?) mit den Worten „Ein reich gewordener Armer ist unerträglich“ auf ihn in der kaiserlichen Loge gestarrt hatte, hatte er hochmütig mit einem anderen Vers gekontert: „Es sind auch schon Ziegenhirten König geworden“. Mit anderen Worten, er hatte – wie so viele andere – genug Dreck am Stecken, um verurteilt zu werden, wenn ihn nur jemand anklagte. Messalina tat es laut Cassius Dio persönlich, und das gleich bei ihrem Ehemann. Die Folge war Polybios‘ Hinrichtung.

Gleich in Folge ist bei Cassius Dio von Silius die Rede, der sich tatsächlich von Junia Silana scheiden ließ, und eine Beziehung mit der Kaiserin einging. Und er schien just das zu sein, was sie bei all ihren nymphomanischen Ausschweifungen gesucht hatte. Ja, um eine Rechtfertigung dafür zu haben, ihn selbst bei offiziellen Anlässen  an ihrer Seite zu wissen, soll er auf ihr Drängen hin trotz seines jungen Alters zum designierten Konsul für das Jahr 47 ernannt worden sein (Mazzei nennt hier keine Quelle, daher vermute ich, daß er sich immer noch auf Cassius Dio beruft). Kostbarkeiten aus dem Palast wanderten in Silius‘ Junggesellenbude, und laut Tacitus auch kaiserliche Sklaven und Freigelassene. Schließlich wurde das Haus zu klein für all den Prunk, und Messalina hielt Ausschau nach einem repräsentativeren Domizil.

Die Villa auf dem Pincius (eine Erhebung im Norden der Stadt, die jedoch nicht zu den legendären „sieben Hügeln“ gehört) mit den schönsten Gärten Roms stach ihr ins Auge. Sie hatte einst Lucullus gehört, dem Feldherrn Sullas, an dessen Lebensstil uns heute noch das Adjektiv „lukullisch“ erinnert. Derzeit befand es sich im Besitz des zweimaligen Konsuls Valerius Asiaticus, der mit Claudius nicht nur befreundet, sondern auch an seiner Seite nach Britannien gezogen war. Er besaß mehrere Anwesen, war aber trotzdem nicht gewillt, diese hier aufzugeben. Aus dem Grunde wurde eine Intrige gesponnen. Mnester zog es inzwischen nicht mehr so sehr nach Poppae Sabina, der Gattin des Rufrius Crispinus, sondern nach ihrer gleichnamigen Mutter, die verheiratet war mit Cornelius Scipio (Nein, dieser hatte nichts mit Karthago zu tun; den Römern fehlte es lediglich an Phantasie bei der Namengebung). Der laut Mazzei „sozusagen berufsmäßige Denunziant“ Suillius Rufus drehte es in seiner Anklage so hin, daß nicht der Mime, sondern Valerius Asiaticus der Ehebrecher sei. Claudius jedoch ließ sich diesmal nicht so leicht manipulieren, da es ja schließlich um einen seiner Freunde ging. Er war schon geneigt gewesen, den Beschuldigten freizusprechen, da trat Sosibios vor, den Messalina als Lehrer ihres Sohnes eingestellt hatte. Sosibios beschwatzte den Kaiser, daß Valerius Asiaticus kurz davor sei, nach Gallien aufzubrechen, um von dort mit einem Heer zurückzukehren und sich selbst auf den Thron zu setzen. Um ganz sicherzugehen, wurden dem Villenbesitzer von Suillius Rufus auch noch Bestechung, Homosexualität und eine Reihe anderer Frevel unterstellt. Der Ärmste wurde in Ketten nach Rom geschleift und erhielt seinen Prozeß – wie Appius Silanus – nicht im Senat, sondern gleich in den kaiserlichen Gemächern. Doch er muß ein überzeugend leidenschaftlicher Redner gewesen sein (Seneca nennt ihn einen homo ferox, einen „wilden Menschen“), denn es gelang ihm beinahe, sämtliche Vorwürfe zu entkräften, die ihm gemacht wurden. Da brach Messalina in Tränen aus und verließ kurz den Raum, zusammen mit dem derzeitigen Konsul Lucius Vitellius (dem Schuh- Fetischisten). Als der zurückkehrte, war der Beschuldigte nicht mehr vor Ort, und so war es ihm ein Leichtes, Claudius einen „Kompromiß“ aufzuschwatzen, Valerius Asiaticus möge sich selbst das Leben nehmen (was ehrbarer war als der Tod durch den Henker). Ja, angeblich habe der Beklagte den Konsul selbst um diese Lösung gebeten.

Asiaticus starb nicht allein; auch der älteren Poppea Sabina wurde der Suizid nahegelegt. Claudius nahm an alledem so wenig Anteil, daß er Cornelius Scipio ein paar Tage nach dem Selbstmord zerstreut nach dem Befinden seiner Gattin fragte. Scipio klärte ihn auf: „Sie ist tot.“ Und er reagierte mit: „Ach!“

Unterdessen hatte sich Suillius Rufus gerade warm gemacht, und denunzierte darum gleich noch die Brüder Petra, die ihr Haus Poppea und Mnester für heimliche Stelldicheine zur Verfügung gestellt hatten. Und die zudem Träume gehabt hätten, die man als Omen für eine Hungersnot und den Tod des Kaisers interpretieren konnte. Somit wartete auf sie die Hinrichtung, während Mnester selbst – eventuell auf Messalinas Intervention hin – seinen Kopf aus der Schlinge ziehen konnte.

Auf jeden Fall erhielt die Kaiserin die Villa auf dem Pincius, und wenig später wohnte dort Silius. Gleich mehrere Quellen berichten, daß er sich der Gefahr und des Skandals bewußt war, die mit seiner Affäre verbunden waren, doch schien es ihm nicht mehr möglich zu sein, von Messalina loszukommen. Und die schien sich ohnehin mit dem Liebesrausch einer Borderline- Patientin an ihn zu klammern, daß ihr die Reaktionen der Umwelt kaum mehr wichtig waren. Es gab auch keine Geheimhaltung mehr: Wenn sie ausgingen, war das gesamte Gefolge der Kaiserin mit von der Partie.

Dabei sank die Beliebtheit des Herrscherhauses durch ihre Umtriebe mehr und mehr. Zu allem Überfluß hatte Agrippina die Abgelenktheit der Kaiserin ausgenutzt, um selbst Claudius zu bearbeiten, und nun stand er kurz davor, ihren Sproß Nero zu adoptieren. Hier und da galt sie bereits als seine Geliebte (obwohl er ihr Onkel war), und für ihn als Staatsoberhaupt wäre eine Scheidung eine Sache von Minuten. Die Thronfolge des Britannicus war stärker in Gefahr, als jemals zuvor. Ja, als Konkurrent zu Nero war auch sein Leben bedroht.

In dieser Situation kam Messalina der Gedanke, sich scheiden zu lassen, um Silius zu ehelichen. Finanziell war sie inzwischen abgesichert genug, um auf Palast und Status verzichten zu können. Ihr Gemahl hatte ihr bisher jeden Wunsch erfüllt, also warum sollte er es jetzt nicht auch tun, wo es zwischen ihnen doch ohnehin keine ehelichen Kontakte mehr gab?

Doch wer glaubt, daß Liebe alles ist, hat für Vernunft meist nichts übrig. Silius war von Messalinas Plan begeistert, und da er kinderlos war, freute er sich darauf, Britannicus zu adoptieren. Aber da er ein prominenter Politiker war, könnte man die Scheidung und Wiederverheiratung der Kaiserin als Versuch deuten, das Staatsoberhaupt zu demütigen – und so nachsichtig Claudius auch sein konnte, so grausam war er, wenn er eine Bedrohung erst einmal erkannt hatte. Die Schicksale von Appius  Silanus und Valerius Asiaticus waren ihnen als zum Teil Beteiligten ja nicht fremd!

Also beschlossen sie, Nägel mit Köpfen zu machen, und die Hochzeit vor die Scheidung zu legen. Notfalls würden sie Claudius auch um die Ecke bringen lassen… Tacitus, Sueton und Cassius Dio deuten alle Drei an, daß dies zum Plan des Paares gehörte, um Silius seinen Platz auch auf dem Thron einnehmen zu lassen. Im Krieg und in der Liebe ist schließlich alles erlaubt!

Messalina war auch nicht gewillt, die Trauung heimlich stattfinden zu lassen. Sie war so eingenommen von ihren naiv- romantischen Vorstellungen, daß sie auf eine Hochzeit mit allen Riten und allem Pomp bestand. Silius warnte, daß dies ein Schritt war, der sich nicht mehr rückgängig machen ließ, und dessen Zeitpunkt man darum mit Bedacht festlegen sollte, um möglichst straffrei davonzukommen.

Es traf sich günstig, daß das Staatsoberhaupt wieder einmal mit dem Bau des Hafens in Ostia beschäftigt war… 25 Kilometer von der Hauptstadt entfernt.

So suchte Messalina, sich ihrer alten Komplizen unter den Freigelassenen zu bedienen, namentlich Pallas, Callistus und Narcissus. Die jedoch waren nicht blind vor Liebe, und warnten sie vor der Gefahr einer Palastverschwörung. Sie hatte Mühe, die beiden Erstgenannten auf ihre Seite zu ziehen, und schaffte es wohl nur, weil sie sie nicht zur Feindin haben wollten. Narcissus, der zuviel über sie wußte, um sie zu fürchten, wagte es, sich aus dem Komplott herauszuhalten. Dafür sprangen einige andere Höflinge in die Lücke, unter denen auch einstige Liebhaber Messalinas waren, so Plautius Lateranus, Vetius Valens und Mnester. Auch Suillius Caesonius, der Sohn des Denunzianten Suillius Rufus, war mit von der Partie, sowie ein paar Personen, die teilweise unbedeutendere Schlüsselpositionen innehatten (darunter ein Feuerwehrhauptmann), doch wirklich einflußreiche Köpfe waren nicht dabei.
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