Bujold, Lois McMaster: Chalion-Serie
ISBN: 3-404-20486-7 bzw. 3-404-20505-7
Originaljahre: 2001/2003 deutsch: 2004/2005 749 / 557 SeitenÜbersetzer: Alexander Lohmann
Titelbilder: Jim Burns
Nach 15 Jahren im Krieg und zuletzt 3 Jahren als Galeerensklave an Leib und Seele gebrochen kehrt Lupe de Cazaril in seine Heimat zurück im Lande Chalion zurück, wo er einst Knappe und Junker am Herzoghof war. Doch er hat Glück: die Herzogwitwe erinnert sich seiner und ernennt ihn zum Erzieher und Sekretär ihrer Enkelin Prinzessin Iselle. Dies ist eine dankbare, wenn auch mühsame Aufgabe, doch werden Iselle und ihr Bruder, der Kronprinz, mitsamt ihren Bediensteten schon bald an den Königshof in der Hauptstadt gerufen. Hier trifft Cazaril nicht nur auf jene alten Widersacher, die schon (durch Verrat) für seine Gefangenschaft verantwortlich sind und nun in exponierter Stellung nach der Macht trachten, sondern er wird auch noch mit dem „Fluch von Chalion“ konfrontiert, der seit 3 Generationen das gesamte Königshaus niederdrückt: der König unfähig und schwerkrank, nur noch mit geheimer magischer Hilfe überlebend, seine Frau unfruchtbar, Ista (die frühere Königin und Mutter der Thronerben) umnachtet und von Geistern gequält, der Prinz aggressiv und den Einflüsterungen des Kanzlers unterworfen. Doch da Cazaril nun eine Aufgabe übernommen hat, erfüllt er diese mit beispielloser Zähigkeit, widersteht den Hofintrigen und beschützt Prinzessin und Reich gleichermaßen; auch als sich herauszustellen scheint, dass der Fluch nur dadurch gebannt werden könne, dass ein Mann aus Chalion dreimal sterben müsse, um die zornigen Götter umzustimmen und fatalerweise er dieser Mann sein könnte.....
In diesem Genre hat ein Autor es einfach: man postuliert als Grundidee einen „Fluch“ (im vorliegenden Fall als Resultat eines magischen Experiments in höchster Kriegsnot), und weil es sich nun einmal um Fantasy handelt, wird dies allenthalben akzeptiert. Aber es gibt auch „Flüche“ im realen Leben. Das hätte so schön sein können. Man liest das umfangreiche Buch in einem Zug durch. Die hier entworfene Fantasywelt ist zwar nicht allzu „neu“ (eine „simple“ hochmittelalterlicher Ritterkultur), die Ideen sind so oder ähnlich auch bereits irgendwo im weiten Fantasylande geäußert worden und auch die Handlung ist absehbar (wundert es wirklich noch jemand, dass der Fluch letztlich aufgehoben wird und alles gut wird?) – aber die Hauptperson! Selten hat man mit einer ebensolchen soviel Sympathie empfunden wie mit Lupe de Cazaril, der sich auf Händen und Knien in seine Heimat zurückschleppt, physisch wie psychisch immer völlig am Boden ist, so oft mit unüberwindlichen Hindernissen und Schicksalsschlägen konfrontiert wird und doch sich in unnachahmlicher Weise durchsetzt. Dabei ist er nicht nur ein echter Bewohner seiner Fantasywelt, der an „übergeordnete Umstände“ wie etwa die (real eingreifenden) Götter und deren Absichten glaubt (im Götterhimmel herrscht ein Quintett, die Religiosität ist im Reiche Chalion intensiv ausgeprägt), sondern er steht auch dem heutigen Leser nahe in seiner meist zynisch-realistischen, aber auch rationalen Beurteilung der Möglichkeiten, die ihm im Rahmen seiner Stellung und Lebensumstände bleiben. Und er handelt ausgesprochen „cool“ (neudeutsch “denglisches“ Modewort, das hier aber wirklich einmal völlig richtig ist). Alles passt zusammen und formt sich zu einem außerordentlichen Lesevergnügen.
Aber ....
Man vermisst im Buch eine Fantasykarte (Cazaril unternimmt u.a. eine hochwichtige Auslandsreise), wendet sich ans Internet (das für viele ein Segen, für manche aber auch so etwas wie ein moderner Fluch ist...), findet auch schnell eine (unter www.dendarii.com/map.html) vom Lande Chalion und Umgebung mit der eingezeichneten Reiseroute Istas! Und hier tritt er denn zutage, der realexistierende und weitaus stärkere, weil nicht durch eine Fantasyaktivität abzuwendende FLUCH.
Auch die (bekannte, bislang aber eher im Science Fiction-Bereich angesiedelte) Autorin hat der
Versuchung nicht widerstanden. Sie schrieb eine Fortsetzung.
Auch dieser Roman ist ionzwischen, im März 2005, in deutscher Übersetzung erschienen. Es geht dabei um die Erlebnisse Istas, drei Jahre nach den Ereignissen des „Fluchs von Chalion“. Sie, vom Fluch und Geisterplage befreit, geht auf eine Pilgerreise zu diversen Religionsstätten im Norden und Osten Chalions, wobei sich letztlich herausstellen wird, dass einer der Gottheiten des Quintetts (der „Bastard“) diese initiiert hat, um weiteren Schaden vom Lande abzuwehren (ausländische Invasoren trachten mit „unheiliger“ Magie nach Eroberung, wobei „Seelen von Dämonen“ gebunden werden; deren Befreiung ist die neue Aufgabe Istas, des „Paladins der Seelen“).
Es kommt, wie es kommen musste. Die Romanhandlung ist in sich abgeschlossen, man braucht das erste Buch nicht zu kennen. Für sich allein wäre es ein netter Einzelroman mit einigen Ideen, den man sich durchaus (einmal) mit Vergnügen zu Gemüte führen kann; aber im Vergleich zu dem nahezu perfekten („runden“) Erstling aus Chalion fällt er doch viel zu stark ab. Die Autorin hatte, erkennbar, damals nur einen Einzelroman geplant und vieles dort hineingepackt (verwunderlich zudem, dass sie als Frau sich mit einer hier weiblichen Hauptperson kaum identifizieren kann).
Und nachdem es ein Götterquintett gibt und bislang nur 2 Bände aus dem Lande Chalion (mit jeweils einer der Gottheiten als „Eingreifender“), kann man befürchten, dass vielleicht noch drei weitere Bücher geben könnte. Das würde alles noch mehr verschlimmern als es „Paladin der Seelen“ schon getan hat.
Fluch über den Fluch der Fortsetzungen!
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Diese Rezension erschien zuerst in der Publikation des Fantasy Clubs (F.C.) e.V.
„Magira -. Jahrbuch zur Fantasy 2005“.
Ich möchte hiermit auf diese regelmäßige sehr empfehlenswerte Publikation hinweisen.
Siehe auch unter www.magira.com
Band 3 der Serie ist zwischenzeitlich ebenfalls erschienen „Im Schatten des Wolfes“
Eine Rezension ist in Vorbereitung