Pehov, Alexey: Schattenwanderer – Die Chroniken von Siala 1

Pehov, Alexey: Schattenwanderer – Die Chroniken von Siala 1Schattenwanderer
Die Chroniken von Siala 1
von Alexey Pehov
aus dem Russischen von Christiane Pöhlmann
Piper Fantasy
erschienen: Frühjahr 2010 (Deutschland); 2002 (Russland)
559 Seiten; 16,95 €
ISBN: 978-3-492-70186-0

Piper

Der internationale Erfolg von »Wächter der Nacht« macht es möglich: Seit Sergej Lukianenkos phantastischer Bestseller die Herzen der Fans erobert hat, finden Romane aus Osteuropa, insbesondere aus Russland, immer öfter den Weg auf den deutschsprachigen Buchmarkt.

So nun auch die High Fantasy-Trilogie »Die Chroniken von Siala« aus der Feder von Alexey Pehov, deren Auftaktband »Schattenwanderer« kürzlich im Piper-Verlag erschienen ist.


Im Zentrum von »Schattenwanderer« steht der Meisterdieb Garrett, der seinem Tagewerk in Awendum, der Hauptstadt des Königreichs Vagliostrien, nachgeht. Im Grunde genommen ist Garrett ein freiheitsliebender Charakter, der sich aus Politik und ähnlichem heraushält und lediglich seinen eigenen Interessen folgt. Mit dieser Unabhängigkeit ist es allerdings vorbei, als er unversehens in den Kampf um das Schicksal des Königreichs, ja vielleicht sogar das der ganzen Welt hineingezogen wird.

Vagliostrien sieht sich mit einer Gefahr aus ferner Vergangenheit konfrontiert. Der Unaussprechliche, ein dunkler Magier, der vor vielen Jahrhunderten Krieg und Zerstörung über die Welt brachte und nach seiner Niederlage in ein magisches Gefängnis in den Öden Landen verbannt wurde, regt sich wieder. Im Exil formiert er ein gewaltiges Heer aus Ogern, Orks und anderen Kreaturen der Finsternis, das sich für den Sturm auf Vagliostrien rüstet – ein Heer, zu gewaltig, als dass es die Armee des Königreichs mit ihm aufnehmen könnte.

Doch es gibt Hoffnung. In Hrad Spine, einer riesigen, von den meisten Menschen vergessenen Grabanlage, befindet sich ein magisches Artefakt, mit dem Unaussprechlichen erneut gebannt werden kann. Doch der Weg nach Hrad Spine ist gefährlich, und die Katakomben selbst nicht weniger. Verschiedene Expeditionen sind bereits dorthin aufgebrochen, um das Artefakt zu bergen. Nur wenige Überlebende kehrten, schwer verwundet, nach Awendum zurück. Der König Vagliostriens ist verzweifelt und ersinnt einen waghalsigen Plan. Gemeinsam mit einer kleinen Schar todesmutiger Krieger soll der Meisterdieb Garrett das Horn des Regenbogens bergen.

Ein gnadenloser Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Können Garrett und seine Gefährten das Horn beschaffen, bevor ein Sturm von Schattenwesen über Vagliostrien hereinbricht?

»Schattenwanderer« ist ein packendes High Fantasy-Abenteuer, das zwar den ein oder anderen kleineren Schönheitsfehler aufweist, nichtsdestotrotz aber ein Genuss für jeden Freund phantastischer Unterhaltung ist.

Beginnen wir mit den Schwächen des Romans. Hier ist in allererster Linie die unentschlossene, teils recht sprunghaft zwischen verschiedenen Erzählstilen wechselnde Sprache des Buchs zu nennen. In einem Moment heiter, dann wieder ernst, im nächsten Moment mit feinen humoristischen Untertönen – Pehovs Erzählweise lässt keine durchgängige Linie und kein klares Muster erkennen. Ohne besonderen Anlass wechselt die Stimmung des Ich-Erzählers und damit die Stimmung der Erzählung an sich, was dem Buch ohne sichtbaren Übergang in einem Moment zu einer beinahe epischen Wucht, im nächsten zu einem lockeren Ton verhilft. Ein wenig entschlossener hätte die Erzählweise durchaus ausfallen können.

Weiterer Schwachpunkt: die wenig ausgeprägte charakterliche Tiefe der Figuren. Pehov bleibt, was die Beschreibung der Wesenszüge seiner Protagonisten betrifft, im Großen und Ganzen Aussehen und Tätigkeit der jeweiligen Figur verhaftet; schon die Beschreibung des Äußeren verrät dem Leser im Grunde alles, was er über den Charakter einer Person wissen muss. Eine etwas komplexere Darstellung der Protagonisten wäre wünschenswert gewesen.

Damit zu den positiven Aspekten von »Schattenwanderer«, die die Schwächen bei weitem überwiegen. Um beim Figurenensemble zu bleiben: Zwar ist die Charakterisierung der einzelnen Figuren im Allgemeinen sehr einfach ausgefallen. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Pehov eine vielfältige Darstellerriege voll unterschiedlicher, zumeist sehr sympathischer Charaktere entworfen hat. Der Leser hat keine Mühe, mit den verschiedenen Personen, allen voran mit dem charismatischen Meisterdieb Garrett, warm zu werden.

Sehr angenehm ist übrigens, dass Pehov seine Figuren mit Stärken und Schwächen gleichermaßen ausstattet. Wieder einmal ist es Garrett, die als Musterbeispiel herhalten kann: Trotz seines recht laxen Auftretens verfügt der Dieb über eine ganze Reihe von Ängsten und Schwachstellen, die er nicht zu schade ist, zuzugeben. Ähnlich sieht es bei den übrigen Personen aus.

Ein echtes Highlight ist die Story des Romans an sich. Wer nach der gerade gegebenen Inhaltszusammenfassung glaubt, die Handlung des Romans zu kennen, der darf sich auf eine gewaltige Überraschung gefasst machen. Der Plot von »Schattenwanderer« ist weitaus facettenreicher, als es zunächst den Anschein hat. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Die Suche nach dem Horn des Regenbogens, die der Anlass für die Erzählung ist, beginnt erst nach mehr als der Hälfte des Romans. Zuvor begleitet der Leser Garrett bei den Vorbereitungen seiner Queste, die sich als weitaus fantasievoller und spannender herausstellen, als man im ersten Moment vermuten möchte.

Darüber hinaus begegnet dem Leser in »Schattenwanderer« nicht nur der Fantasy-übliche eine große Bösewicht, der seine Armee aussendet, auf dass sie Furcht und Schrecken in der Welt verbreite. Stattdessen konfrontiert Pehov seine Protagonisten mit ganz unterschiedlichen Gegenspielern (ohne dabei auf altbekannte Klischees wie verräterische Königsberater, die den Thron für sich selbst haben möchten, zurückzugreifen), die allesamt auf ihre Art und Weise eine Bedrohung für Vagliostrien darstellen.

Die komplexe, aber nie komplizierte Story ist zweifelsohne die ganz große Stärke des Romans.

Äußerst gelungen ist aber auch das Setting der Erzählung. Pehov hat sich ein hochinteressantes Universum ausgedacht. Klassische Figuren wie Orks, Elben und Zwerge beschreibt er auf ganz eigene Weise (so ähneln Elben etwa eher Vampiren als den hochmütigen Überwesen, als die sie in der Fantasyliteratur häufig dargestellt werden) und reichert seine klassisch mittelalterliche Welt mit einer Vielzahl eigener Kreaturen an. Ein Einfaches, aber glaubwürdiges Magiesystem sowie abwechslungsreiche Schauplätze komplettieren das Bild.

»Schattenwanderer« ist ein nicht ganz perfektes, alles in allem jedoch sehr gutes Fantasyabenteuer, das den Leser schnell in seinen Bann zu ziehen versteht. Freunde epischer Questen und klassischer High Fantasy-Sagas kommen hier voll auf ihre Kosten; Fans von Chris Evans (»Iron Elves«) und Tad Williams (»Das Geheimnis der Großen Schwerter«) sollten das Epos in keinem Fall verpassen. Ein guter Auftakt, des das Warten auf die Fortsetzung alles andere als leicht macht ...

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