Food Fiction - Dracula: Paprikahühnchen
Food Fiction
Dracula: Paprikahühnchen
Passend zum Remake von Nosferatu habe ich für heute etwas Schauerliches ausgesucht. Der Noch-Herbst ist schön düster, kalt und neblig und die Nächte sind lange. Schlecht für uns Menschen, aber gut für die Geschöpfe der Nacht. Eins der unheimlichsten hat ein irischer Schriftsteller weltberühmt gemacht. Die Rede ist vom König der Vampire, von Graf Dracula. Geschrieben von Abraham „Bram“ Stoker.
Der Roman ist eine für die damalige Zeit typische Mischung aus Reisebericht, Liebesromanze und natürlich Schauergeschichte. Stoker erzählt seine Geschichte geschickt in einer Art Tagebuchliteratur in der sich die Handlung in Briefen, Zeitungsberichten, besprochenen Wachsplatten und natürlich Tagebucheintragungen entwickelt. Was das ganze sehr realistisch und authentisch erscheinen lässt und das Fiktionale in den Hintergrund gerät. Die Story kennt jeder. Graf Dracula wünscht sich einen Tapetenwechsel und kauft eine verfallene Abtei in England, wo er in Ruhe weiter sein untotes Dasein fristen, in schimmliger Heimaterde schlafen und Jungfrauenblut schlürfen möchte. Zu diesem Zweck hat er einen jungen Rechtsanwalt namens Jonathan Harker in sein Schloss geladen, um den Kauf rechtsgültig abzuschließen.
Harker reist also unter vielen Mühen zu Lande und zu Wasser ins ferne Transsylvanien und durchquert das wilde Osteuropa. Brav schreibt er jede Etappe und jede Einzelheit in sein Tagebuch und sehnt sich nach seiner jungen, schönen Verlobten Mina. Irgendwo in den Karpaten landet er über Nacht in einem Gasthof, in dem er so gut speist, dass er dem Essen einen Eintrag widmet. Es gibt ein vorzügliches Paprikahühnchen, von dem er so begeistert ist, dass er sich vornimmt, seiner Mina das Rezept mitzubringen. Und um ein Paprikahühnchen geht es heute bei Food Fiction. Nebenbei erwähnt ist für mich der erste Teil des Buches, in dem Jonathan nach Transsylvanien reist und in die Gefangenschaft des Grafen gerät, der interessanteste Teil des dicken Wälzers. Die Storyline in England fällt dagegen deutlich ab und dümpelt eher ein wenig fade dahin. Aber so ist das eben mit den Geschmäckern.
Genug vom Buch, widmen wir uns lieber dem besagten Hühnchen
Da das Gericht im Roman keine tragende Rolle spielt und nur ganz kurz erwähnt wird, konnte ich meiner Phantasie freien Lauf lassen. Da Harker im 19. Jahrhundert in einer sehr abgelegenen Gegend unterwegs ist, musste natürlich auch die Zubereitungsmetode diesem Setting angepasst sein. Damals wurde hauptsächlich auf eisernen Öfen oder gleich über offenem Feuer gekocht, deshalb erschien mir ein gegrilltes Hühnchen oder etwas Aufwendiges als unpassend. Da Harker das Gericht im abergläubischen und vampirfürchtigen Balkan genießt, musste es tüchtig mit Knoblauch gewürzt sein.
Hier die Zutaten:
- 1 ganzes Hühnchen
- 1 Knolle Knoblauch
- 2-3 Spitzpaprika
- 1 Zwiebel
- Salz, Pfeffer, Paprikapulver
- Etwas Öl zum Anbraten. Wer mag, kann auch Mangalitzaschmalz verwenden
So wird´s gemacht:
Zuerst wird das Hühnchen gewaschen, aufgeschnitten und – falls nicht bereits geschehen – ausgenommen und gewaschen. Die Knoblauchzehen werden von der Haut befreit und gepresst. Dies geschieht entweder mit einer Knoblauchpresse oder mit der Breitseite eines aus ausrangierten Sargnägeln geschmiedeten Küchenmessers auf einem Holzblock oder einem Grabstein.
Durch das Pressen tritt mehr Saft aus der Zehe, was dem Gericht einen deutlich intensiveren Knoblauchgeschmack verleiht. Wer es lieber milder mag, schneidet den Knoblauch einfach. Das Innere und Äußere des Huhns wird tüchtig mit Salz und Pfeffer sowie dem gepressten Knoblauch eingerieben und über Nacht kalt gestellt, damit die Gewürze richtig einziehen. Die Wunderknolle Knoblauch hält nicht nur Blutsauger fern, sondern, stärkt das Immunsystem, Herz- & Kreislauf und verlangsamt angeblich den Alterungsprozess. Die vermutlich fiktive Werbefigur Ilja Rogoff soll durch seine knoblauchbasierte Ernährung angeblich 130 Jahre alt geworden sein. Wie dem auch sei, es ist sicherlich nicht jedermanns Sache, täglich Knoblauch zu essen. Nachdem man nach getaner Arbeit zu Bett gegangen ist, hängt man sich selbst ein silbernes Kreuz um den Hals sowie einige Knoblauchknollen rings um Fenster und Türen und spricht ein osteuropäisches Ave Maria.
Ist das Hendl am nächsten Tag durchgezogen, erhitzt man in einer großen gusseisernen Pfanne das Öl. Wer mag, kann auch Mangalitzaschmalz verwenden, was dem Gericht eine authentischere Note verleiht. Das Schmalz wird aus den ungarischen Mangalitzawollschweinen gewonnen. Das Schmalz kann aufgrund seiner besonderen Zusammensetzung sehr hoch erhitzt werden, ohne zu verbrennen.
Also rein in die Pfanne und ordentlich heiß werden lassen und dann das aufgeklappte Hendl von beiden Seiten scharf anbraten. Damit nichts anbrennt, muss die Hitze reduziert werden, um das Fleisch schonend zu garen. Es empfiehlt sich einen Deckel aufzulegen, so verkürzt sich der Garvorgang. Zwischendurch immer wieder umdrehen und aufpassen, dass die Haut nicht in der Pfanne festklebt. Wie lange, ist von der Hendlgröße und der Temperatur abhängig. Man muss einfach ein wenig beobachten. Wenn alles durch und die Haut knusprig ist, kommen die kleingeschnittenen Zwiebeln und Paprikaschoten hinzu. Ist alles gar, nimmt man das Hendl aus der Pfanne und richtet es mit dem gebratenen Gemüse auf einem Holzbrett (alternativ geht auch ein Sargdeckel) an und würzt es dann erst großzügig mit dem Paprikapulver. Das ist wichtig, denn fügt an das Gewürz schon beim Braten hinzu, verliert der Paprika sein Aroma und wird bitter. Dazu isst man einfaches Brot und trinkt einen würzigen Kadarka dazu. Begegnet einem nach dem Essen ein Vampir, reicht es in der Regel, ihn anzurülpsen. Der Knoblauchgeruch wird ihm die Haut vom Gesicht ätzen! Wer mag, kann ihn dann anschließend mit einem abgenagten Hendlknochen pfählen.
P.S.: um den hartnäckigen Knoblauch- und Zwiebelgeruch nach dem Schneiden von den Händen zu bekommen, reicht es aus, sie unter kaltes Wasser zu halten. Händewaschen mit Seife bringt wenig.
by Ringo Hienstorfer (12/2024)